Verweis auf "öffentliches Interesse" durch Atomaufsichtsbehörde dient nur Atom-Konzerninteressen - Slowakei kann Stom anders erzeugen
Nachdem das slowakische Höchstgericht verlautbarte, die Genehmigung zum Ausbau des Atomkraftwerks Mochovce aufzuheben, warnt Greenpeace, dass sich die slowakische Atomaufsichtsbehörde UJD über das Urteil hinwegsetzen wird. UJD beruft sich auf "übergeordnetes öffentliches Interesse" und warnt vor "irreparablen Schäden", die durch einen Baustopp entstehen könnten. Die Atomaufsichtsbehörde hatte sich gestern Abend zu diesem Vorgehen entschlossen. "Das Höchstgericht hat entschieden, dass das UVP-Verfahren neu aufgerollt werden muss. Somit gibt es jetzt keine gültige Umweltverträglichkeitsprüfung für den Ausbau. Der Weiterbau erfolgt also ohne eine solche. Dies Widerspricht dem Europarecht", erklärt Julia Kerschbaumsteiner, Atomsprecherin bei Greenpeace.
"Die Slowakei kann auch derzeit ohne fertiggestellte Reaktoren ihren Strombedarf decken. Es ist völlig unverständlich, wenn sich die Behörde auf höhere Interessen beruft und quasi den Notstand im Land ausruft. Der Verweis auf das öffentliche Interesse ist in Zeiten von Fukushima geradezu zynisch. Hier geht es nicht um öffentliches Interesse, sondern ausschließlich um das Interesse eines Konzerns, namentlich von Slovenské Elektrárne-ENEL", bekräftigt Kerschbaumsteiner.
Greenpeace hatte erfolgreich vor dem slowakischen Höchstgericht geklagt, weil die Organisation vom Bewilligungsprozess ausgeschlossen wurde. Das Gericht hatte angeordnet, dass der Bewilligungsprozess neu gestartet werden müsse und verlangt zudem eine neue Umweltverträglichkeitsprüfung.
Trotz des nun abgesagten Baustopps glaubt GLOBAL 2000 - Atomexpertin Patricia Lorenz dennoch, dass dieses Urteil eine Chance eröffnet, die Fertigstellung der Blöcke 3 und 4 von Mochovce zu verhindern. Nach erster Durchsicht des Urteilstextes durch Lorenz ist klar, dass der Oberste Gerichtshof die bisherige Ansicht der Gerichte in der Slowakei widerruft, wonach die Bauänderungen keine Umweltauswirkungen hätten und daher keine UVP nötig sei. Außerdem stellt der Oberste Gerichtshof klar, dass die in der Aarhus Konvention festgehaltenen weitgehenden Rechte für Umwelt und Bevölkerung auch bei Mochovce 3 und 4 umzusetzen sind. Es gilt nun, das Urteil genau zu analysieren und alle Möglichkeiten zu finden und umzusetzen.
"Die Möglichkeiten, die eine neue UVP gemäß der ESPOO Konvention bietet, ist nicht nur ein Neuaufrollen des Genehmigungsprozesses unter Beteiligung des Auslands und von vielen NGOs und unabhängigen Experten, es würden neue Informationen auch über die Sicherheit des Atomkraftwerks Mochovce bekannt werden und in der UVP berücksichtigt werden müssen. Es ist richtig, dass die jetzigen Bauarbeiten illegal sind, weil keine geltende UVP vorliegt. Vollkommen inakzeptabel und ein Akt der Verzweiflung ist es, wenn die slowakischen Behörden "im öffentlichen Interesse" vorläufig den Weiterbau absegnen. Wir verlangen einen Baustopp und die sofortige Eröffnung der UVP, die nun im Gegensatz zur ersten eindeutig nicht mehr freiwillig und daher ohne "Augenzudrücken" durchzuführen ist", sagt Patricia Lorenz.
"Nicht zu unterschätzen ist die Bedeutung der widerrufenen Genehmigungen. Es sind keine Baugenehmigungen im üblichen Sinne, sondern Bauänderungen, die zu einem aktuell vertretbaren Sicherheitsniveau führen sollen. Es wird sehr interessant werden, wenn nun unter Beteiligung der Öffentlichkeit die Sicherheitserhöhungen diskutiert werden, damit die Aufsichtsbehörde der Slowakei diese neu genehmigen kann", sagt Lorenz.